Die Changemaker-Liste ist für uns am Food Campus Berlin eine Herzensangelegenheit. Tagtäglich treffen wir inspirierende Menschen, die mit ihren visionären Ideen, ihrer Entschlossenheit und ihrem Handeln die Zukunft der Ernährung nachhaltig gestalten. Aus diesen Begegnungen heraus entstand die Idee der Changemaker-Liste 2025 und des dazugehörigen Reports. Unser Ziel ist es, Wertschätzung für innovative Lösungen zur Transformation unseres Ernährungssystems auszudrücken.
Gemeinsam mit EatSmarter und der dfv Mediengruppe möchten wir den Menschen hinter diesen Lösungen Sichtbarkeit geben und dafür sorgen, dass ihre Stimmen im gesamten Sektor gehört werden. Lasst euch von ihren Geschichten ermutigen, selbst neue Wege zu beschreiten! Heute im Interview: Emilie Bourgoin.
Wer bist du und was machst du?
Mein Name ist Emilie Bourgoin, ich bin Französin, lebe aber schon viele Jahre in Deutschland – mit meinem Mann und unseren drei Töchtern, zwei Hunden und einer Katze. Ich bin Group Director Public Affairs der REWE Group und Vorsitzende unseres Kompetenzzentrum Landwirtschaft.
Was ist dein Lieblingsessen und was hast du heute zum Frühstück gegessen?
Ich bin seit 23 Jahren Vegetarierin. Zu meinen Favoriten gehören die asiatische und die arabische Küche – und über den Gateau Succès aux trois chocolat von meiner Mutter freue ich mich immer.
Das Frühstück ist mein Lieblingsmahlzeit, dabei esse ich sehr viel und vor allem alles. Von Spaghetti, über Sushi, Toast, Eier oder auch Croissants. Klingt gewöhnungsbedürftig, aber ich kann morgens schon richtige Mahlzeiten essen. Als Beilagen immer dabei sind Käse, Tomaten, Basilikum, Oliven und Tahin.
Was war für dich der Auslöser, dich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander zu setzen? Gab es einen entscheidenden Moment?
Den einen Auslöser, den einen Moment gab es nicht. Das Thema hat nach und nach an Bedeutung gewonnen, beruflich, aber auch privat. Meine Kinder fordern auch immer stärker nachhaltige Verhaltensweisen und Entscheidungen ein.
Was ist deine Innovation? Was unterscheidet deine Arbeit von anderen?
Ich bin Netzwerkerin, arbeite mit vielen interdisziplinären Teams in unserem Hause zusammen, gleichzeitig bin ich viel draußen unterwegs. Im Austausch mit politischen Vertreter:innen, aber auch mit Landwirt:innen erhalte ich neue Einblicke, lerne andere Perspektiven kennen, die ich dann wiederum ins Unternehmen trage. Dieser gute Überblick über eine Vielzahl von Themen macht meinen Job sehr abwechslungsreich.
Wie wird deine Arbeit die Food-Branche in den nächsten Jahren nachhaltiger machen?
Das Kompetenzzentrum Landwirtschaft der REWE Group: 2023 gegründet ist es weiter ein absolutes Alleinstellungsmerkmal der Branche. Wir arbeiten gemeinsam mit Praktiker:innen aus Wissenschaft, Erzeugung und Handel an den Herausforderungen der Landwirtschaft. Wir sind Überzeugungstäter und denken out of the box. Alle engagieren sich für die Branche und denken nicht nur an ihre Partikularinteressen. Gemeinsam wollen wir zukunftsweisende Projekte entwickeln, seien es neue Vertragsformen oder konkrete Produkte. Ein Beispiel hierfür ist „Die Faire Milch x Milprima“ von PENNY, der der in dieser Form erste bundesweite Drei-Parteien-Vertrag zugrunde liegt und die Landwirt:innen an den Verhandlungstisch holt.
Was ist gerade dein wichtigstes Nachhaltigkeits-Transformationsprojekt?
Wir müssen endlich von der reinen Wertschöpfungskette zu einer Wertschätzungskette kommen. Davon bin ich persönlich überzeugt, dafür steht aber auch die REWE Group. Die Leistungen der Landwirt:innen müssen mehr Anerkennung finden. Landwirt oder Landwirtin zu sein, ist kein gewöhnlicher Beruf. Lebensmittel anzubauen, zu erzeugen, verarbeiten, aber auch zu verkaufen sind Aufgaben von gesellschaftlicher Bedeutung. Und die Landwirte wirtschaften schon nachhaltig, sie wissen, dass sie auf ihre Tiere und Böden angewiesen sind. Viele der Themen, die wir diskutieren, werden schon länger in den Betrieben umgesetzt – auf eine pragmatische Art.
Außerdem beschäftigen wir uns derzeit intensiv mit dem Thema Proteinstrategie, das eine ganzheitlichen Ansatz für eine Ernährungswende bietet.
Was siehst du als das größte Hindernis für die Transformation in deinem Bereich? Wer oder was bremst?
Die multiplen Krisen, die uns als Individuen, als Branche, als Gesellschaft seit Jahren umhertreiben, erschweren auch die Transformation der Handels- und Agrarbranche. Die Covid-Pandemie hat uns enorm gefordert, aber wir haben die Nahversorgung konsequent aufrecht erhalten. Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Lieferketten gestört und die Inflation getrieben. In Zeiten wie diesen gilt es, als Gesellschaft, als Branche aber auch als Land oder als Europa zusammenzuhalten.
Wie stellst du dir eine zukunftsfähige Food-Branche vor?
Ich arbeite seit 20 Jahren in der Foodbranche und es war nie langweilig. Sie ist bereits heute ein enorm vielfaltiger, innovativer und nachhaltiger Sektor. Wir sind Trendsetter, mit großen und kleinen Unternehmen, Start-ups und Traditionshäusern. Es gibt immer neue Produkte, neue Kooperationen, neue Ideen. Wir sind alle in der Kette aufeinander angewiesen und deshalb müssen wir lernen, immer besser miteinander zu arbeiten und neue Perspektiven zulassen.
Was ist das relevanteste Transformations-Szenario für deinen Bereich in den kommenden fünf Jahren auch angesichts möglicher Rückschläge?
Wir wollen die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft auf ein neues Level heben, den Dialog fördern und mehr gegenseitiges Verständnis schaffen. Über 33.000 Erzeuger:innen in Deutschland arbeiten – teilweise bereits seit Jahrzehnten – mit REWE und PENNY zusammen. Wir setzen auf die heimische Landwirtschaft – und diese auf uns.
Wie können wir die Fortschritte der Transformation in deinem Bereich messbar machen?
Die Reaktionen auf die Gründung des Kompetenzzentrum Landwirtschaft haben uns ehrlich gesagt überrollt. Die Anzahl der Menschen, die sich bei uns melden, von intern wie von extern, überwältigt mich immer noch. Uns erreichen viele Anfragen von Podien, es werden immer wieder Projektideen eingereicht. Wir haben einen Nerv der Zeit getroffen, das spüren wir.
Wie gelingt Veränderung - und wie nicht?
Ausdauer, Mut und vielleicht ein bisschen Verrücktheit.
Welche Player müssen stärker oder überhaupt zusammenarbeiten, damit die Transformation gelingt?
Alle oder besser gesagt Jeder und Jede. Alle müssen Verantwortung übernehmen.
Ohne wen funktioniert die Transformation nicht?
Ich würde wie es wie bei der vorherigen Frage beantworten wollen. Jeder von uns, egal ob Politik, Wissenschaft, Gesellschaft oder Wirtschaft, kann Einfluss nehmen und Sachen verändern. Und die Kund:innen entscheiden am Ende, was ihnen die Transformation wert ist und was sie dafür zahlen wollen.
Was inspiriert dich in deiner Arbeit? Woher bekommst du deine Ideen?
Es gibt so viele Macher:innen in der Agrarbranche, die etwas bewegen wollen, die voller Überzeugung ihren Beruf ausüben. Das gilt im Übrigen auch für viele meiner Kolleg:innen und Kaufleute. Aus Gesprächen mit diesen Menschen nehme ich immer ganz viel Inspiration und Begeisterung mit. Und manchmal inspiriert mich auch der Blick in meine Heimat.
Welchen Rat würdest du jemandem geben, der oder die sich auch für die Transformation des Ernährungssystem einsetzen will?
Man braucht Durchhaltevermögen und muss Überzeugungstäter:in sein. Außerdem hilft kein Silodenken und man sollte immer offen sein für neue Wege, neue Mitstreiter, neue Chancen.