Mit einem Fokus auf der Bioversorgung im Außer-Haus-Markt öffnete die diesjährige BIOFACH Messe in Nürnberg ihre Tore. Im Programm gab es zahlreiche Kongressbeiträge und Paneldiskussionen, bei denen man sich vor lauter Auswahl gar nicht entscheiden konnte und die Angst, etwas zu verpassen, stetig wuchs. Im Folgenden findet ihr einen Auszug aus dem Programm mit den wichtigsten Inhalten.
Reformulierungsstrategien für die Biobranche – Schrittweise? Laut oder leise? Gesamtstrategie?
Die Reduktionsstrategien der Bundesregierung stellen den Biobereich vor Herausforderungen, denn Zucker, Salz oder Fett können hier nicht einfach durch Zusatzstoffe ersetzt werden, um die Konsistenz oder den Geschmack des Produkts gleich zu halten. Aber ist das überhaupt immer notwendig? Anfangs dachte ich nein, meine Gedanken dazu drehten sich aber recht eintönig um den Fakt „Unsere Geschmackspräferenzen sind einfach zu sehr an den derzeitigen Überkonsum gewöhnt. Man kann sich durchaus auch an weniger Zucker gewöhnen.“ Das denke ich auch immer noch. Allerdings habe ich mich weniger damit beschäftigt, welche Auswirkungen das auf die Konsistenz des Produkts hat - dass der Keks dadurch vielleicht nicht mehr zusammenhält, das Müsli nicht mehr knusprig ist oder die Bindung im Joghurt nicht mehr funktioniert.
Das Projekt "ReformBio" der Universität Göttingen beschäftigt sich genau mit dieser Problematik. Auf der BIOFACH stellten sie die Ergebnisse eines Teilprojekts vor, bei dem es um die Zuckerreduktion in Mürbeteigkeksen, Knuspermüsli und Fruchtjoghurt geht. Das große Ziel für alle scheint eine Reduktion um mindestens 30% zu sein, denn dann darf es mit einem Nutrition Claim beworben werden. Die Ergebnisse zeigen, dass bis zu 15% Reduktion noch gut machbar sind, sich danach jedoch größere Veränderungen in der Sensorik und Textur einstellen. Als Lösungsansätze stellten sie den Einsatz anderer Zuckerarten wie Rübensirup, die Nutzung von Fruchtsorten mit höherem Pektingehalt oder die Inklusion von alternativen Binde- und Verdickungsmitteln wie Stärke, Pektin, Johannisbrotkernmehl, Zitrusfasern oder Gellan vor und gingen dabei auf die jeweiligen Vor- und Nachteile ein. Leider gab es keine Antworten auf die strategischen Fragen einer schrittweisen oder radikalen Einführung und der entsprechenden Kommunikation dazu. Diese Erkenntnisse und eine Zusammenfassung aus all den Studienergebnissen sollen jedoch noch folgen.
Selbstoptimierer:innen und Superalte. Die neuen Lebensstil-Trends bis 2040 und wie sich die Bio-Branche darauf einstellen kann
Dr. Eike Wenzel vom Institut für Trend- und Zukunftsforschung gab uns einen Blick von der Vergangenheit in die Zukunft. Neoökologie (Klimawandel), Powershift (Energiewende und Infrastrukturen) und Rohstoffe (Wasser, Metall, Agrar) sind die Märkte der Zukunft. Unabdingbar scheint es, diese drei Faktoren mit einem neuen Trend der sozialen Ungleichheit zu verbinden. Wie schaffen wir es, Menschen in neue und bessere Jobs zu bringen und soziale Ungleichheiten dadurch zu verringern?
Die großen Themen, die unsere Lebensstile bis 2040 beeinflussen werden, sind Gesundheit, demografischer Wandel, Digitalisierung, Stadt-Land-Gegensatz und die "Fear of Falling"-Mittelschicht. Gesundheit wird als großer Megatrend unsere zukünftigen Märkte verändern, und dies auf zwei Wegen. Es entwickeln sich vermehrt individualistisch geprägte Lebensstile. Was früher Selbsterhaltung war, ist heute Selbstverwirklichung und Selbstoptimierung. Dieser Trend birgt jedoch auch gesellschaftliche Risiken. Es stellt sich die Frage, wie man diesem Bedürfnis gerecht werden kann, ohne dabei den individuellen Nutzen über den gesellschaftlichen Nutzen zu stellen. Ein weiterer Einflussfaktor ist der demografische Wandel unserer Gesellschaft. Obwohl dieser unausweichlich ist, wird er immer noch nicht ausreichend beachtet. Die zukünftigen Generationen ab 55 sind jedoch keineswegs "die Alten", die nach dem Beruf mit dem Leben abgeschlossen haben. Sie stehen mitten im Leben und tun viel dafür, sich diese Lebensqualität so lange wie möglich zu erhalten. Hier erschließt sich ein enormes Marktpotenzial, das nicht vernachlässigt werden sollte.
Weitere Programmpunkte
Den Fokus der Bundesregierung auf der Steigerung des Anteils von Biolebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung macht sich die Biofach zu nutzen. Ihr Anliegen: Die Plattform für Informationen und Austausch zu diesen Themen zu werden. Dazu gab es viele Vorträge und Angebote rund um das Thema am Treffpunkt HoReCa GV & Gastro.
Dr. Martin Keller gab Einblicke in die Thematik „Plant-based meat alternatives: killerfoods or healthy products?“. Das Ergebnis für die pflanzlichen Alternativen fiel dabei positiv aus. In mehreren Studien konnte eine günstigere Zusammensetzung der Makronährstoffe gezeigt werden und zum Teil eine bessere Versorgung mit Mikronährstoffen. Was jedoch immer noch fehlt sind klinische Studien, die die tatsächlichen Auswirkungen auf gesundheitliche Parameter darstellen. Einen Anfang macht eine Studie von Crimarco et al. (2020), die einen positiven Einfluss von pflanzlichen Fleischalternativen auf kardiovaskuläre Risikofaktoren nachweisen konnte.
Eine Paneldiskussion zum Thema „Ökolandbau: mit oder ohne Tiere?“ schloss mit der Frage ab „Warum haben Menschen mehr Rechte als Tiere?“. Gleichzeitig wurde erkannt, dass unser Tierschutzgesetz, in dem bereits viele der derzeitigen Handlungen verboten sind, auch weiterhin nicht durchgesetzt werden wird, solange wir Tiere als Ware und wirtschaftlichen Faktor betrachten.
Den Abschluss bildete eine Paneldiskussion mit Lena Grießhammer (Redaktion Biomarktverbund), Lukas Küttner (Ostmost) und Meike Pantel (Marketing Bioland) zum Thema Marketing "Raus aus der Bio-Blase: Welche neuen Kommunikationswege können wir gehen?". Mit auf der Bühne saß eine Libelle – stellvertretend für die Insektenlobby, eine der größten Marketingkampagnen des Bioland-Verbands. Rationale Kommunikation und die Verbreitung von Informationen sind zwar wichtig, haben aber keinen emotionalen Effekt. Genau dieser wird jedoch gebraucht. Wir müssen mehr erklären, dies jedoch auf eine fühlbare Weise, und dieses Gefühl sollte positiv sein. Niemand möchte jedes Mal über den Weltuntergang nachdenken, wenn er ein Produkt konsumiert. Eine positive und auch mal provokante und humorvolle Kommunikation und Information würde der Kommunikation über Bioprodukte guttun und Veränderungen bewirken, laut Aussagen der Panelisten.