Food Campus Berlin: Wie sieht die Ernährung der Zukunft aus?
Christian Hamerle: Mit einem Wort: fabelhaft! Wir werden unsere geschmacklichen Komfortzonen behalten können – es bleibt lecker, und alles, was auf den Teller kommt, wird dem Planeten genauso guttun wie uns. Was sich ändern wird, sind die Zutaten, die Herkunft und der Impact. Was heißt das genau? Wir werden uns im Rahmen der Planetary Health Diet bewegen und dadurch Wertschöpfungsketten nachhaltiger gestalten, damit wir die planetaren Grenzen nicht mehr überschreiten. Möglich wird das auch durch die Nutzung smarter Proteine, die an vielen Stellen für geschmacklich gleichwertige Alternativen zu Fleisch sorgen werden.
Food Campus Berlin: Was sind die größten Herausforderungen für die nachhaltige Transformation der Ernährungsindustrie?
Christian Hamerle: Die Ernährungswende gelingt nur dann, wenn die Ernährungs-, die Agrar- und die Foodservice-Industrie den Wandel parallel vorantreiben. Das heißt auch, dass Wissenschaft, Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen müssen. Ansonsten werden wir auf gesellschaftlichen Widerstand stoßen, der den Wandel bremst, und in zehn Jahren werden wir feststellen, dass es zu spät ist. Langer Rede kurzer Sinn: Es braucht eine kulturelle Transformation, ein Verständnis dafür, dass pflanzliche Alternativen den Warenkorb größer und nicht kleiner machen. Es braucht ein positives Storytelling rund um smarte Proteine anstatt Schlagzeilen über 3D-Drucker, Petrischalen und Heuschrecken, die zukünftig unsere Ernährung bestimmen – es ist also auch die Welt des Journalismus gefragt, die Transformation positiv zu beeinflussen. Stichwort: Bildungsauftrag.
Food Campus Berlin: Wie schafft ihr einen positiven Planetary Health Impact?
Christian Hamerle: Durch die beharrliche Umsetzung des vorgegebenen PHD-Rahmens in Ergänzung zu neuen FoodTech-Möglichkeiten (Smart Proteins, Cell-based Alternatives etc.). UND: Ohne dabei unser genusskulturelles Verständnis zu zerstören und mit dem erhobenen Zeigefinger zu agieren. Die Zukunft muss uns als Konsumenten sprichwörtlich schmackhaft gemacht werden.
Food Campus Berlin: Welche Statistik/Studie zitierst du gerne und am häufigsten?
Christian Hamerle: Nestlé-Studie (ganz neu), der WWF bietet sogar schon viele Anwendungen an (Rezepturen auf PHD-Basis). Ansonsten bediene ich mich zahlreicher Statistiken, die sich um das Thema der notwendigen Reduzierung des Fleischkonsums drehen (das wird der Schlüssel sein, um planetare Grenzen einzuhalten).
Food Campus Berlin: Welche sind für dich aktuell die spannendsten Innovationen/Unternehmen/Start-ups/Trends im Bereich Food und warum?
Christian Hamerle: Smart-Protein-Start-ups, die auch Upcycling betreiben. Also nicht nur Erbsen- oder Weizenprotein als Grundlage haben, sondern sich z. B. auch an Abfallprodukten anderer Lebensmittelindustrien bedienen, wie beispielsweise Biertreber als Grundprodukt für Fleischalternativen auf dem Teller. Die anderen „Trend“-Start-ups, wie z. B. BettaF!sh, Perfeggt, Planted, Redefine Meat, Kofu, sehe ich mittlerweile fast schon als „normales Warenkorb-Pflichtprogramm“ unserer Foodservice-Industrie. Cell-based Alternatives befinden sich noch in einem Stadium, in dem sie nicht preislich skalierbar sind (für LEH, GV). Das wird sich aber in den nächsten Jahren drastisch ändern.
Food Campus Berlin: Deine Vision für die Food-Branche in einem Satz?
Christian Hamerle: Wenn wir all unsere genusskulturellen Vorurteile ablegen, nachhaltige Ideen auf Basis der PHD und Smart Proteins mitbringen und ALLE bei der Umsetzung dieser Ideen an einem Strang ziehen, dann werden wir mit der Ernährungswende auch den Klimawandel positiv beeinflussen und dadurch eine nachhaltige humane Existenz auf diesem Planeten schaffen.
Die schnellen 8 an Christian Hamerle (Head of Food Service Innovation von Food Service Innovation Lab)
Wieso gerade Food?
Weil es uns alle angeht, wir alle dazu eine emotionale Meinung haben, und weil es der größte Hebel ist, um den Klimawandel positiv zu beeinflussen.
Umdenken, was bedeutet das für dich?
Unsere Haltung von einer vom Profit getriebenen zu einer zweckdienlichen zu wandeln. Es bedeutet auch, aus einer 200 Jahre alten industriellen revolutionären Haltung eine planetar getriebene Haltung zu machen, die unsere Existenz sichert. Stichwort: Gemeinwohl-ökonomisches Denken.
Was macht deinen Tag perfekt?
Wenn ich mit dem Thema Ernährungswende Menschen erreicht habe, die davor noch kaum oder gar nicht darüber nachgedacht haben.
Dein größter Erfolg bisher?
Die Gründung des Food Service Innovation Labs – und die damit verbundene Möglichkeit, das Lab als neutrale Plattform für Informationsaustausch und die Bündelung von Kräften zu nutzen, die der Ernährungswende guttut.
Deine größte Herausforderung bisher?
Der ganzheitliche Ökosystem-Wandel der Food-Welt. Vor allem der damit verbundene kulturelle Wandel in jedem Einzelnen von uns allen.
Dein schlimmstes kulinarisches Erlebnis?
Gekochte Hühnerfüße.
Dein Lieblingsbuch / Foodblog?
Derzeit lese ich Maja Göpel.
Deine Lieblings-Podcasts?
„Foodure“.